Schule gesucht!

Wir suchen eine Grundschule für unsere Tochter. Daraus wollten wir keine große Sache machen und möglichst die nächstgelegene Schule nehmen. Diese für uns im Wohngebiet zuständige Schule ist die Schule Hinter der Lieth in Eimsbüttel, zu der auch die meisten Kinder aus ihrem Kindergarten gehen.
Bei der „Schuleignungsprüfung“ (mit Viereinhalb) im Januar 2014 hatten wir in dieser Schule gleich gefragt, ob sie dann in drei Jahren auch ihren Bruder, unseren Sohn mit Down Syndrom aufnehmen würden? Das, so dachten wir, sei nach der deutschen Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 selbstverständlich. (Wir wussten natürlich, dass es nur theoretisch selbstverständlich ist. Die Praxis sieht anders aus. Trotzdem gingen wir davon aus, dass keine Grundschule sich mehr grundsätzlich gegen Inklusion stellt. Schon gar nicht, wenn noch drei Jahre Zeit wären.) Die Schulleiterin meinte aber, sie hätten schon einmal eine Anmeldung von einem Jungen „mit dieser Krankheit“ gehabt und haben schon damals den Eltern empfohlen, das Kind auf eine andere Schule zu schicken. Das würde sie auch uns empfehlen. Unsere Tochter würden sie aber sehr gerne aufnehmen, fügte sie noch hinzu.

Die anderen Eltern in der Kita können nicht verstehen, warum diese Grundschule für unsere Tochter und uns nun nicht mehr in Frage kommt. Genauso wenig wie viele unseren Wunsch nicht nachvollziehen können, den Jungen einmal nicht auf eine Sonderschule zu schicken.

Aktuell ist jedoch nun die Schulsuche für unsere Tochter. Es ist ja auch noch ein bisschen Zeit für unseren Sohn. Bis dahin hat sich eventuell in Sachen Inklusion noch einiges in Hamburg getan. Im Oktober 2014 hat sich in Hamburg ein Bündnis aus 23 Organisationen gebildet, das die schulische Inklusion ins Zentrum der Bildungspolitik rücken möchte. Und gerade erst haben Hamburger Eltern von Schulkindern mit Förderbedarf einen Blog ins Leben gerufen, auf dem sie die Schulbehörde und den Senator anhand konkreter persönlicher Erfahrungen darauf aufmerksam machen, in welchen Bereichen die Umsetzung der Inklusion in Hamburgs Schulen noch hinkt.

Es wäre schön, wenn auch unsere Tochter mit Kindern mit und ohne Behinderung zusammen lernen könnte. Und selbstverständlich auch mit Kindern mit verschiedenen Muttersprachen, Religionen, Geldbeuteln, Bildungserfahrungen oder Lebensumständen. Genau diese Vielfalt sehen wir als enorme Bereicherung. Wir haben absolut kein Problem damit, wenn unsere Tochter irgendwelchen Stoff nicht schafft. Es geht uns nicht darum, dass sie so viel wie möglich lernt, sondern darum, dass sie die Dinge versteht, die sie lernt. Genauso wie für unsere Tochter ist uns wichtig, dass alle ihre Mitschüler das Gelernte auch verstehen. Niemand soll zurück bleiben, weder sie noch jemand anderes.

Diese Kriterien scheinen für viele andere Eltern, aber auch für Lehrer und Schulleiter weniger eine Rolle zu spielen, denn die Suche nach einer solchen Schule stellte sich doch als extrem schwierig heraus. Ich schaute mir acht Schulen im Umkreis an Info-Abenden oder an Tagen der Offenen Tür an. Von diesen acht Schulen sind zwei sogenannte Schwerpunktschulen. Das heißt, dass sie Kinder mit Behinderung aufnehmen. Eine dieser beiden Schwerpunktschulen, die ich mir anschaute, war die Eppendorfer Grund- und Stadtteilschule. Leider hat die Grundschule aber gar keine Kinder mit Behinderung. Die andere Schwerpunktschule hat zwar tatsächlich Kinder mit Behinderung, und zwar gibt es in jedem Jahrgang eine Klasse mit vier behinderten Kindern, aber in meinem Gespräch mit einer Sonderpädagogin dieser Schule hörte ich heraus, dass es nicht wirklich ein Konzept für gemeinsamen Unterricht gibt. Wenn es zu schwierig wird, sagte sie, dann nimmt sie ihre behinderten Schüler aus der Klasse raus und dann backen sie gemeinsam oder machen etwas anderes. Hat mich nicht überzeugt. Zumal diese Schule auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schlecht zu erreichen ist von uns. Dann gibt es noch die Privatschulen, die oft kleine Klassen und einen kindzentrierteren Ansatz haben. Wir schauten uns die Jüdische Schule am Grindelhof an, weil sie ab der 1. Klasse auch Russisch anbietet, die Montessori-Schule am Schlump, weil Montessori-Methoden angeblich ideal für Kinder mit Down Syndrom sind und ich telefonierte mit allen Waldorfschulen in Hamburg, denn wir haben Freunde in Ostdeutschland, deren Kinder mit und ohne Behinderung an Waldorfschulen gut lernen und deren Eltern ganz begeistert sind. Abgesehen davon, dass in keine der genannten Privatschulen in Hamburg Kinder mit Behinderung gehen, schien mir die Elternschaft und ihre Sprösslinge auch sonst nicht gerade vielfältig.

Welche Kriterien sind uns wichtig? Uns ist wichtig, dass die Neugierde der Kinder nicht gebremst wird, dass sie in ihrem Entdeckerdrang unterstützt werden, dass in der Klasse kein ungezügelter Leistungswettbewerb stattfindet, dass die Kinder positiv beim Lernen motiviert werden. Dass die Persönlichkeit der Kinder gestärkt wird. Dass Lernen selbstverständlich gemeinsam oder in wechselnden Kleingruppen stattfindet. Dass soziales Lernen, Wertschätzung von Vielfalt, gemeinsames Gestalten des Schullebens und der Regeln eine wichtige Rolle spielen.
Warum ist es so schwer, eine solche Schule zu finden?

Wir versuchen es nun mit der der Grundschule Vizelinstraße. Dort gibt es (noch) keine Kinder mit einer diagnostizierten Behinderung. Aber die Schulleiterin Nina Löb versteht ihre Schule als eine Schule für Alle, die offen ist für jeden Schüler. Sie und auch die stellvertretende Schulleiterin Stephanie Gondolatsch machen auf mich einen sehr aufgeschlossenen Eindruck. Sie sind überzeugt von Inklusion als eine Bereicherung für alle Schüler. Und die Grundschule Vizelinstraße ist eine von vier Hamburger Grundschulen, die sechsjährig statt vierjährig sind.

Wir sind gespannt.

Ein Gedanke zu „Schule gesucht!“

  1. Hi Johnny,
    wie hat sich denn Eure Tochter auf der Schule Vizelinstrasse eingelebt? Habt Ihr dort gefunden, wonach Ihr gesucht habt?
    Ich kann Eure Gedanken sehr gut nachvollziehen, wir ueberlegen auch gerade unseren Sohn auf die Schule Vizelinstrasse zu schicken, hoeren jetzt aber doch auch ein paar negative Stimmen… Von daher wuerde mich Eure Erfahrung sehr interessieren.
    Viele Gruesse Britta

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