Mein Egozentrismus

Nach der Geburt unseres Sohnes schwankte meine Laune immer von der Enttäuschung darüber, dass unsere ganze Familie den Rest des Lebens unter den Bedingungen seiner Trisomie 21 leben müsse (damals assoziierte ich diese Bedingungen zum großen Teil mit Belastung) und der Euphorie darüber, dass wir ein ganz besonderes Kind bekommen hatten. Ein normales Leben wollte ich sowieso nie. Ich sagte sogar damals einmal zu Sascha, dass ich es gerade ganz toll finde, dass Anatol das Down Syndrom hat. Ich begründete das damit, dass ich es so spannend finde, mit zu erleben, wie gerade er sich mit diesem zusätzlichen Chromosom entwickeln wird. Sascha fand das damals sehr eigenartig, konnte diesen Gedanken jedenfalls nicht nachvollziehen.

Mich nervt immer mal wieder, dass das Down Syndrom oft als etwas absolut Furchtbares betrachtet wird. Etwas, dass sich keiner wünscht und ein solches Leben möglichst vermieden werden sollte. Da möchte ich dann immer ganz laut brüllen: „Hey Leute, das Down Syndrom ist nicht schlimm! Keine Panik!“

Für die letzte KIDS aktuell hatte ich dann ein Interview mit Carina Kühne, in dem ich sie fragte, ob sie es gut findet, dass sie das Down Syndrom hat? Sie antwortete: „Nein, natürlich nicht. Selbstverständlich hätte ich lieber kein Down Syndrom. […]“ Über diese Antwort war ich zutiefst enttäuscht und traurig. Ich hatte etwas anderes erwartet. Ich nahm an (denn ich kannte Carina Kühne ein bisschen persönlich, weil sie mal bei uns übernachtet hatte und weiß deshalb, was für ein lebensfroher Mensch sie ist), dass sie nicht so absolut antworten würde. Ich dachte, dass sie sowas antwortet wie: „Manchmal stört es mich, aber meist habe ich kein Problem damit.“ Gefreut hätte ich mich auch, wenn sie die Frage lächerlich gemacht hätte, in etwa so: „Finden Sie gut, dass Sie zwei Beine und zwei Arme haben?“
Aber so antwortete sie nicht. Nein. Stattdessen hätte sie viel lieber keine Trisomie 21 und ein ganz normales Leben.