Warum schulische Inklusion keine Gleichmacherei oder „Sozialromantik“ ist

Die drei häufigsten Argumente gegen schulische Inklusion sind meines Erachtens folgende:
1. Inklusion ist Gleichmacherei.
2. Inklusion ist Sozialromantik und Illusion.
3. Nichtbehinderte Kinder werden durch das gemeinsame Lernen benachteiligt.

Zu 1. Inklusion ist Gleichmacherei.
Inklusiver Unterricht und inklusive Pädagogik ist das genaue Gegenteil von Gleichmacherei. Binnendifferenzierter Unterricht berücksichtigt gerade die Heterogenität der SchülerInnen. Hierfür gibt es ganz unterschiedliche Methoden, z.B. das Arbeiten mit Wochenplänen. In Lerngruppen müssen SchülerInnen beispielsweise ein Thema erarbeiten, das sie gemeinsam zu einem bestimmten Lernziel führt. Binnendifferenzierende Maßnahmen beziehen sich dabei auf die Zugänge zum Lerninhalt, auf die Qualität oder die Quantität der Lernaufgaben und -ziele oder auch auf die Medien. Das bedeutet, dass inklusiver Unterricht ALLEN SchülerInnen zu Gute kommt, sowohl sehr starken als auch sehr schwachen. Hochbegabte Kinder haben z.b. in der Quantität oder Qualität entsprechend andere Aufgaben als sie in herkömmlichen Unterrichtssettings hätten, um das gemeinsame Lernziel zu erreichen und profitieren gerade deshalb auch von dieser Unterrichtsform. Immer wieder hört man von bereits inklusiv arbeitenden Klassen, dass mehr SchülerInnen diese mit einer gymnasialen Empfehlung verlassen als die Regelklassen. Ein weit verbreiteteter Irrglaube ist, dass Kinder mit einer Behinderung automatisch immer die langsamsten, schlechtesten und verhaltensauffälligsten Kinder sind. Fakt ist jedoch, dass sehr viele dieser Kinder auf einer Förderschule völlig unterfordert sind.

Zu 2. Inklusion ist Sozialromantik und Illusion.
Viele Menschen sind der Meinung, dass Inklusionsbefürworter eine rosarote Brille aufhaben und mit verklärtem Blick eine soziale Utopie herbeisehnen.
Behinderung ist jedoch kein individuelles Problem. Viele Menschen mit Behinderung sind davon überzeugt, dass sie erst durch die Gesellschaft und durch Barrieren wie z.B. Treppenstufen, schwere Sprache, Ungleichbehandlung und Vorurteile behindert werden. Wird Inklusion als „Sozialromantik“ abgetan, werden Diskriminierungen als akzeptierte Normalität wahrgenommen. Es entsteht die Botschaft, dass ausgrenzendes Verhalten, egal ob von Menschen oder Institutionen ausgehend, in Ordnung ist.
Schulische Inklusion ist auch keine Illusion mehr, denn es gibt mittlerweile zahlreiche Beispiele dafür, dass gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern erfolgreich gelingen kann. Eine Illusion ist stattdessen das Warten vieler Schulen/PädagogInnen auf DIE optimalen Bedingungen bevor man sich überhaupt an Kinder mit Behinderungen „heranwagt“. Natürlich sind unbedingt genügend räumliche, sächliche und personelle Ressourcen notwendig. Wichtig sind aber vor allem Fort- und Weiterbildungen. LehrerInnen müssen Formen der inneren Differenzierung, inklusive Didaktik und individualisierte Lernformen kennen. Denn ohne dieses Wissen nutzen auch kleinere Klassen nichts. Das Fundament inklusiven Unterrichtens bildet jedoch die Haltung. Inklusive Lern- und Lehrprozesse müssen reflektiert werden. Wer mit jungen Menschen arbeitet, bringt immer auch seine eigenen Prägungen, Positionen und Vorstellungen mit ein. Eine demokratische Grundhaltung sowie die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt ist für die Umsetzung eines erfolgreichen gemeinsamen Unterrichtes elementar.

Zu 3. Nichtbehinderte Kinder werden durch das gemeinsame Lernen benachteiligt.
Wie in Punkt 1. bereits erwähnt, kommt inklusiver Unterricht auch hochbegabten Kindern zu Gute. Die Lehrergewerkschaft GEW stellte schon 2006 fest: Ein Glaubenssatz deutscher Schulpolitik ist empirisch widerlegt, dass nämlich in Klassen mit gleich leistungsstarken Schülern mehr gelernt werde als in solchen mit einer großen Leistungsstreuung.
Viele Studien belegen, dass SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten in inklusiven Klassen vor allem ihre fachlichen Kompetenzen ausbauen, während leistungsstarke SchülerInnen vor allem im Bereich der sozialen Kompetenzen profitieren. Im Sinne eines demokratischen Bildungsverständnisses mit dem Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe Aller sind diese Ergebnisse als positiv zu bewerten. (weitere Infos dazu siehe: Inklusionsfakten)