Der eine poltert, die andere tobt

Anatol muss momentan entweder etwas zum Essen in den Händen haben, oder ein Telefon, oder Geschirr. Sonst wird gebrüllt. Wir haben einen hohen Verschleiß an Handys und Porzellan. Mit beiden wird am allerliebsten gegen Fensterscheiben, Spiegel, Glastüren oder gegen die Badewanne gehauen. Gerne auch mal um 6 Uhr morgens, damit die Nachbarn wissen, dass es Zeit zum Aufstehen ist.

Liljana liebt die Tragik. Wenn die Diva tobt, hat das jedoch meist einen triftigen Grund, z.B.:

  • Sie hat geträumt, dass wir sie im Zug oder im Geschäft vergessen.
  • Sie hat ihr Taschentuch aus Versehen in einen öffentlichen Mülleimer geworfen, aus dem sie es nicht mehr herausholen kann.
  • Sie will ihre graue Katze wieder haben, die sie vor einem Jahr einem anderen Kind geschenkt hat. (Die Erinnerung kommt seitdem so ca. einmal im Monat wieder hoch.)
  • Mama hat ihr ein Stück Schokolade weg gegessen.
  • Ihr Salbeibonbon oder ihr Gummiwürmchen ist auf der Straße aus dem Mund gefallen und sie kann ihn nicht mehr weiter lutschen.
  • Sie will zwei, bekommt aber nur einen Bonbon.
  • Mama hat einen kaputten Aufkleber oder ein Papierschnipsel von ihr einfach weggeschmissen.
  • Sie will an den Computer und Mama erlaubt es nicht.

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Ostern und Albträume

Bei uns ist gerade der Wurm drin. Kaum waren wir gesund und Lili wieder im Kindergarten, hat sie wieder eine Überraschung mitgebracht. Bei dem Sauwetter und dem Schlamm im Kindergarten auch kein Wunder. Starke Bronchitis. Nun haben wir ihr das erste Mal Antibiotika gegeben, denn so lange so krank war sie noch nie. Und natürlich hat Tolja sich auch wieder bei ihr angesteckt. Damit die Kinder mal wieder etwas zum Freuen haben, haben wir uns entschieden, heute Ostern zu feiern. Letzte Woche war Sascha das ganze Wochenende beim Eisfischen auf dem Baikal, Ostern an Ostern musste also ausfallen. Und da in Russland dieses Jahr erst im Mai das russische Osterfest gefeiert wird und es für uns sowieso Improvisation bedeutet (es gibt hier weder, Osternester, noch -hasen oder Schokoeier – die die Kinder in den Geschäften verführen könnten), können wir den Ostersonntag einfach festlegen.

Tolja hat den Feiertag mehr oder weniger auf dem Arm von Papa verbracht, er war sogar zu schwach zum Essen. Lili hat das erste Mal Osterüberraschungen gesucht und ist nun den ganzen Tag dabei, ihre Süßigkeiten immer und immer wieder zu verstecken und zu suchen. Wie schon an Weihnachten hieß es dann wieder, dass sie jeden Tag Ostern feiern will. Irgendwann habe ich ihr dann erzählt, dass es in Deutschland an Ostern in fast jeder Stadt Osterfeuer gibt, die den langen Winter vertreiben sollen. Und es gibt überall in Deutschland Ostermärsche. Bei Ostermärschen, erklärte ich ihr, gehen die Leute auf die Straße, um gegen etwas Schlimmes auf der Welt wie Krieg zu demonstrieren. „Und man kann gegen kaputte Ostereier und nasse Hosen demonstrieren.“, erwiderte sie.

Das erinnerte mich an ihre schlimmsten Albträume. Einmal im Monat hat sie so einen. Dann wacht sie kreischend und total verheult auf, lässt sich minutenlang nicht beruhigen und murmelt dann schließlich irgendwann etwas wie „Mein Bonbon war heruntergefallen.“, oder, „Jemand hatte mir meine Schokolade weggenommen.“

1. Eier 2. Eierbecher Pferd und Schwein 3. Hühner 4. Osterkörbchen Tolja 5. Osterkuchen 6. Lili Lolli 7. Osterstrauch 8. Tolja

Eisrutschen

Womit beschäftigen sich eigentlich russische Kinder im Winter, wenn die Spiel- und Fußballplätze verschneit sind? Sie gehen rutschen. Anfangs wunderte ich mich in Irkutsk noch, was diese aus wenigen Brettern zusammen gezimmerten Holzgestelle neben den Spielplätzen zu bedeuten haben, deren Sinn erst im Winter deutlich wurde. Sobald die Rutschfläche vereist ist, holen die Kinder ihre „ледянка“ [Hintern-Rutscher] raus und diese wackeligen Gerüste werden zu den schnellsten und coolsten Rutschen überhaupt. Mutige rutschen nicht nur auf dem Po, sondern in allen möglichen Haltungen. Und wer keinen Hintern-Rutscher hat, der nimmt eben ein Stück Pappe oder einen alten, platt getretenen Wasserkanister.

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Bienchen sammeln

Wir haben das, was Martin Dornes in „Die Modernisierung der Seele“ ein verhandelndes Kind nennt. Diese kleine Tyrannin überrascht uns täglich gleichermaßen wie sie uns zur Weißglut treibt. Und immer wieder diskutieren wir darüber, wie wir mit Wutanfällen, Verweigerungen, Boshaftigkeit oder Nölerei umgehen sollen ohne sie zu strafen oder zu brüllen. Was die Omas schon früh gewusst hatten ist, dass Schokolade oder Bonbons etwas Magisches haben, wofür alles getan wird. Nach den Oma-Urlauben war es immer schwer, dem Kind abzugewöhnen, für jeden (Töpfchen-)Scheiß etwas Süßes zu verlangen. Trotzdem zieht natürlich jede Art von positiver Motivation. Jedenfalls ist im Moment wieder Grenzen-Austesten angesagt und eine Heulattacke jagt die andere. Also haben wir heute ein Spiel abgemacht: Wir haben 10 Bienchen gebastelt. Von nun an gibt es für jede gute Tat (z.B. alleine Anziehen, Spielzeug aufräumen, im Haushalt helfen, alleine Zähne putzen) ein Bienchen. Wenn sie 10 Bienchen gesammelt hat, bekommt sie etwas Süßes oder wir unternehmen mit ihr etwas Schönes. Heute wollte sie sofort Bienchen sammeln, hat viel geholfen und drei Bienchen verdient. Sie hat auch nicht gehauen (fürs Hauen gibt es Sandmann-Verbot). Mal gucken, ob die Bienchen-Sammelei auch länger attraktiv bleibt. Hat jemand noch andere Ideen, wie man eine Dreijährige positiv motivieren kann?

Gute-Taten-Spiel