Mein Unwort des Jahres 2013: Lampedusa-Heinis

Von Juni bis Ende November 2013 fanden 80 Männer, die auf ihrer Flucht aus Libyen auf Lampedusa gestrandet waren, dank Pastor Sieghard Wilm in der St. Pauli Kirche in Hamburg Ottensen ein Dach über dem Kopf. Die Stadt Hamburg fühlte sich zunächst nicht zuständig für diese Flüchtlinge. Nach der großen Tragödie im Oktober vor Lampedusa, immer häufigeren Demonstrationen für das Bleiberecht der 80 Männer und Hartnäckigkeit des St. Pauli-Pastors, gelang es, dass der Senat nun ausgelagerte Wohncontainer als Winterunterkünfte bereitstellte, so dass die Männer nicht mehr auf dem Kirchenboden schlafen müssen, sondern Anfang Dezember in diese Containern, die sich ebenfalls auf dem Kirchengelände befinden, umziehen konnten. Die humanitäre Ebene ist geklärt, und das freut uns, sagte Wilm zur aktuellen Situation. Dennoch ist die politische Ebene noch unklar. 

Neulich bei einer Party unseres Nachbarn, bei der auch ein Polizist anwesend war, der z.B. Demonstranten beschützen muss (sagte er), die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzen, kamen wir auf dieses Thema zu sprechen. Als ein anderer Nachbar dann sagte, dass die Lampedusa-Heinis in der Pauli-Kirche doch Eliteflüchtlinge wären, die alles in den Arsch gesteckt bekommen und der Pfarrer sogar mit ihnen joggen gehe, habe ich gleich gemerkt, dass dies in dieser Runde kein gutes Thema für zukünftig friedliche Nachbarschaftsbeziehungen ist. Zumal wir eine Nachbarin haben, die vor 20 Jahren als Kind mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus dem Iran geflüchtet ist, die ersten Jahre in Deutschland im Asylbewerberheim lebte und davon noch immer traumatisiert ist. Vermutlich weiß das keiner außer ich im Haus. Mein persönliches Unwort des Jahres 2013 stand fest: Lampedusa-Heinis.

Ich gehe mal davon aus, dass unser Haus schon einen guten Querschnitt durch die Gesellschaft darstellt. Wir haben Migranten, Behinderte, Schwerverdiener, Arbeitslose, Hausfrauen, Verheiratete, Partnerschaften, Singles, Feministen, Machos, große und kleine Leute, Dicke und Dünne, Buchhalter und Autoren,… O.k., niemand im Haus ist über 50. Bei der Bundestagswahl am 22. September wurden aus unserem 8-Parteien-Haus mindestens 4 Parteien gewählt, vielleicht auch fünf. Dementsprechend spannend sind unsere Hauspartys. Auf des besagte Wort reagierte keiner. Aus den unterschiedlichsten Gründen.

Auf jeden Fall erzeugt dieses Wort noch immer in mir große Wut. „Sozialtourismus“ ist aber auch nicht schlecht.