Stollen

Dieses Rezept habe ich aus dem Buch „Hab ich selbst gemacht“ von Susanne Klingner. Der Stollen wurde von mehreren Verwandten gelobt. Auch ich war überrascht, dass er so einfach und doch so lecker geworden ist:

500 g Mehl und 1 Päckchen Backpulver mischen. 1 Ei und 1 Päckchen Vanillesoßepulver in vier Esslöffel Milch verqirlen in die Mitte des Mehls gießen und mit 200g Zucker dem Saft und der Schale einer halben Zitrone, ein halbes Röhrchen Rumaroma, 125 g gehackte Mandeln und 30 g gehacktes Zitronat vermischen. 250 g Quark und 250 g weiche Butter dazugeben und alles zu einem klebrigen Teig vermengen. Zum Schluss 250 g Sultaninen einarbeiten.

Aus dem Teig ein oder zwei Stollen formen und bei 180 Grad (oder 160 Grad Umluft) 80 Minuten backen. Den oder die noch warmen Stollen mit Butter einpinseln. Anschließend mit Zucker bestreuen, noch einmal buttern und schließlich mit Puderzucker bestäuben.

Stollen_2 Stollen

Mein Unwort des Jahres 2013: Lampedusa-Heinis

Von Juni bis Ende November 2013 fanden 80 Männer, die auf ihrer Flucht aus Libyen auf Lampedusa gestrandet waren, dank Pastor Sieghard Wilm in der St. Pauli Kirche in Hamburg Ottensen ein Dach über dem Kopf. Die Stadt Hamburg fühlte sich zunächst nicht zuständig für diese Flüchtlinge. Nach der großen Tragödie im Oktober vor Lampedusa, immer häufigeren Demonstrationen für das Bleiberecht der 80 Männer und Hartnäckigkeit des St. Pauli-Pastors, gelang es, dass der Senat nun ausgelagerte Wohncontainer als Winterunterkünfte bereitstellte, so dass die Männer nicht mehr auf dem Kirchenboden schlafen müssen, sondern Anfang Dezember in diese Containern, die sich ebenfalls auf dem Kirchengelände befinden, umziehen konnten. Die humanitäre Ebene ist geklärt, und das freut uns, sagte Wilm zur aktuellen Situation. Dennoch ist die politische Ebene noch unklar. 

Neulich bei einer Party unseres Nachbarn, bei der auch ein Polizist anwesend war, der z.B. Demonstranten beschützen muss (sagte er), die sich für die Rechte der Flüchtlinge einsetzen, kamen wir auf dieses Thema zu sprechen. Als ein anderer Nachbar dann sagte, dass die Lampedusa-Heinis in der Pauli-Kirche doch Eliteflüchtlinge wären, die alles in den Arsch gesteckt bekommen und der Pfarrer sogar mit ihnen joggen gehe, habe ich gleich gemerkt, dass dies in dieser Runde kein gutes Thema für zukünftig friedliche Nachbarschaftsbeziehungen ist. Zumal wir eine Nachbarin haben, die vor 20 Jahren als Kind mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus dem Iran geflüchtet ist, die ersten Jahre in Deutschland im Asylbewerberheim lebte und davon noch immer traumatisiert ist. Vermutlich weiß das keiner außer ich im Haus. Mein persönliches Unwort des Jahres 2013 stand fest: Lampedusa-Heinis.

Ich gehe mal davon aus, dass unser Haus schon einen guten Querschnitt durch die Gesellschaft darstellt. Wir haben Migranten, Behinderte, Schwerverdiener, Arbeitslose, Hausfrauen, Verheiratete, Partnerschaften, Singles, Feministen, Machos, große und kleine Leute, Dicke und Dünne, Buchhalter und Autoren,… O.k., niemand im Haus ist über 50. Bei der Bundestagswahl am 22. September wurden aus unserem 8-Parteien-Haus mindestens 4 Parteien gewählt, vielleicht auch fünf. Dementsprechend spannend sind unsere Hauspartys. Auf des besagte Wort reagierte keiner. Aus den unterschiedlichsten Gründen.

Auf jeden Fall erzeugt dieses Wort noch immer in mir große Wut. „Sozialtourismus“ ist aber auch nicht schlecht.

„Geht doch! Inklusion erfahren“ – Ein Ausstellungsbesuch

Heute haben wir einen Familienausflug in die Ausstellung „Geht doch! Inklusion erfahren.“ ins Hamburger Museum gemacht, die ich mir schon lange anschauen wollte. Wenn ich das erste Mal in einem Museum bin, mache ich gern eine Führung mit. Ich ging bei dieser Ausstellung davon aus, dass uns ein Mensch mit Trisomie 21 oder mit einer Sehbeeinträchtigung oder auch einfach ein Künstler, der die Ausstellung mitgestaltet hat, durch die Ausstellung führt. Das war aber nicht so. Die Dame, die uns stattdessen die Ausstellung zeigte, begann ihre Führung mit den Worten „10 Prozent aller Menschen weltweit leiden an einer Behinderung…“. Ich hätte sie gerne korrigiert, dass nicht alle LEIDEN würden, aber sie war so im Redefluss, dass ich sie nicht unterbrechen wollte. Da die Ausstellung anlässlich des 150jährigen Bestehens der Stiftung Alsterdorf erdacht wurde, beginnt sie mit einem recht kurzen Blick in die meist gruselige Alstersdorfgeschichte, die man zum Teil auch hier nachlesen kann. Also nur ganz kurz: 1860 gründete der Theologe Heinrich Sengelmann die „Alsterdorfer Anstalten“. Sengelmann wollte hier „geistig behinderte“ Menschen beschulen und sie in Werkstätten, Gärtnereien und in der Landwirtschaft beschäftigen. 1899 lebten mehr als 600 Menschen in den Anstalten. 15 Jahre später, mit beginn des I. Weltkrieges, wurde der Unterricht eingestellt, weil für den Nachfolger Sengelmanns Pädagogik keine Priorität mehr hatte. Nun wurde auf Forschung und medizinische Behandlungs- und Heilmethoden gesetzt. 1920 erscheint ja von Karl Binding und Alfred Hoche der Leseband „Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Die schwierigen 20er Jahre erwiesen sich als geeigneter Nährboden für diese radikalen Thesen und so wird in diesem Sinne die Stiftung Alsterdorf einige Jahre später zum „Spezialkrankenhaus für alle Arten geistiger Defektzustände“ erklärt. Auf der Webseite der Stiftung heißt es dazu: Der damalige Oberarzt Dr. Gerhard Kreyenberg entwickelte ein umfassendes Modernisierungskonzept im Sinne des medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritts. Röntgentiefbestrahlungen, Insulin- und Cardiazol-Schockbehandlungen, Dauerbäder, Schlaf- und Fieberkuren sollten geistig behinderten Menschen Heilung und Linderung bringen. Ab 1933 werden im „Spezialkrankenhaus“ Massensterilisationen durchgeführt. Die Anstalten bekommen mehrere Auszeichnungen und werden zum „Nationalsozialistischen Musterbetrieb“ erklärt. Und was dann zwischen ’38 und ’45 geschah, lest selbst! Das Abendblatt schreibt, die Geschichte der Alsterdorfer Stiftung, die ja sehr viele Besucher interessiert, hätte ausführlicher dargestellt werden können. Ich kann dazu nicht wirklich was sagen, da wir mit den beiden Kindern die Ausstellung besuchten und ich mich mit ihnen ohnehin nicht zu lange bei diesem Ausstellungsteil aufhalten wollte.

Man verlässt dann die dunklen Räume und kommt in eine helle bunte Welt. Cool. Die Wände voll mit pinken, türkisen, knallbunten Bildern. Viele Videoinstallationen, Hörbeiträge, alles ist zum Anfassen, Mitmachen, Ausprobieren. Unsere Ausstellungsführerin sagt, dass „dies den Austritt aus der grauen Welt in die bunte Welt symbolisiert“, um nochmal zu betonen, was mehr als eindeutig ist.

Es wurde interaktiv. Wir durften auch gleich Klebepunkte kleben. Wie groß bist du? Liegst du damit im Durchschnitt? (Erkenntnisgewinn: es gibt auch viele Menschen, die viel größer oder viel kleiner sind.) Nächste Klebetafel: Wann brauchtest du mal Hilfe in deinem Leben? Als Baby, als Kranker, wenn das Internet nicht funktioniert,…usw.? (Erkenntnisgewinn: jeder Mensch ist irgendwann in seinem Leben hilfebedürftig.) Dann kommt eine interessante Installation. Ein Klingelbrett mit ca. 30 Namen. Drückt man eine Klingel, sagt die Person, welche Situationen ihr Schwierigkeiten bereiten. z.B. sagt eine Dame, dass sie Angst vor dem Busfahren hat. Jemand anderes sagt, dass er absolut keinen Käse essen kann. (Erkenntnisgewinn: nicht die offensichtliche Behinderung macht einem Schwierigkeiten, sondern alltägliche Dinge, die auch vielen anderen Menschen Schwierigkeiten bereiten.) Es folgen eine Schaukel (hier freute sich Lili enorm!), auf der man ein Lied hören kann. Dann ein Sandkasten, wo zwei Mütter (eine Mutter eines hochbegabten und eine Mutter eines weniger begabten Kindes) miteinander reden. Dann kommt ein Tischfußball mit Fußballern mit verschiedenen Behinderungen. An der Wand hängt ein Telefon, durch das man verschiedene Anrufer hört, die sich beschweren. z.B. beschwert sich eine Rentnerin, die unter einer WG von Menschen mit Behinderungen wohnt, bei deren Betreuern, dass sie immer nachts zu laut Musik hören und sie nicht schlafen könne. Als die Betreuer sie auffordern, es doch den Leuten einfach selbst zu sagen, antwortet sie: „Die verstehen mich doch gar nicht.“ (Erkenntnisgewinn: Ich muss mit den Leuten selbst sprechen und nicht mit ihren Angehörigen oder Betreuern.) Dann kann man noch erfahren, welche Schwierigkeiten Menschen mit handicaps im öffentlichen Verkehr haben. z.B. gibt es nicht an allen U- oder S-Bahnhöfen Fahrstühle. Viele Rollstuhlfahrer brauchen mindestens 30 min. länger für eine Fahrt als ihre gehenden Mitmenschen. Man kann die coolen Videos von Station 17 sehen. Auch gibt es eine richtig gute Installation mit dem Lied „Unter der Käseglocke“, in dem es um einen völlig isolierten Menschen geht, die laut unserer Ausstellungsführerin das Lieblingsstück der hier ausstellenden Künstler ist und auch mir am besten gefallen hat. Außerdem gibt es noch viele Fühlbilder, die für unsere Kinder interessant waren. Und Geschwister erzählen über ihre Schwestern oder Brüder mit handicap. Ich will und kann gar nicht alles aufzählen. Alles war bunt und zum Mitmachen. Die Ausstellung ist barrierearm und damit für viele zugänglich. Zum Schluss gab es noch Bilderpaare: auf dem einen Bild waren z.B. nur gelbe Äpfel, auf dem daneben verschiedenes buntes Obst. Auf dem nächsten Bild waren nur grüne Bäume, auf dem daneben herbstlich bunte Bäume. Welches Bild uns besser gefallen würde, fragte uns die Ausstellungsführerin? Ich fand sie alle gut. Sie meinte aber, dass die bunten, die eine Vielfältigkeit symbolisieren, doch besser aussehen würden, oder?

Auf dem Heimweg redeten wir lange über die Ausstellung. Es gab nicht wirklich was Neues für uns. Irgendwie erinnerte sie mich an meine Conny-Wenk-Ausstellung in Irkutsk, bei der sich 12 Irkutsker Vereine von Menschen mit Behinderung vorstellten. Sie schleppten dann alle irgendwelche Dinge an wie Topflappen, bemalte Eier, Holzspielzeug oder Bilder, die Menschen mit Behinderungen im Rahmen ihrer Vereinsaktivitäten hergestellt hatten und, die wir in Vitrinen ausstellen sollten. Hinzu kamen Fotos von Angehörigen oder Betreuern, die etwas Nettes mit dem behinderten Kind machten und es zum Lachen brachten. Hmm. Schon damals war mir das irgendwie peinlich, die Menschen so auszustellen. Natürlich ist diese Ausstellung bei weitem besser, da sie die Menschen zum Teil selbst zu Wort kommen lässt und sie zum Teil in die Ausstellungsgestaltung mit einbezogen hat. Trotzdem bleibt es eine Ausstellung, in der man Kunst von (fast) ausschließlich Menschen mit Behinderungen wahrnehmen kann und in der über Menschen mit Behinderung gesprochen wird. Vielleicht sind sie zum Teil in gemeinsamer Arbeit entstanden, aber dann ist das Interessante doch eigentlich der Prozess, wie gemeinsam Kunst entsteht, wie man sich gegenseitig wirklich inspiriert oder stört. Ist die Welt von Menschen mit Behinderungen denn wirklich immer so bunt? Sascha brachte es auf den Punkt, indem er sagte, ihm sei die Ausstellung zu friedlich und schön. Er würde gerne etwas Provokantes, etwas Schockierendes, etwas Irritierendes sehen. „Ich setze mir eine Augenbinde auf und probiere mal, wie sich ein Blinder fühlt“, will die Ausstellung und macht damit alles andere als Inklusion erfahrbar. Im Gegenteil, sie grenzt damit Nicht-Blinde von Blinden ab. Fragen wie „Wo beginnt eigentlich Behinderung?“ „Wer oder was und vor allem wie und wo wird man behindert?“ werden nicht tiefgründiger bearbeitet. Der Titel der Ausstellung lautet „Geht doch! Inklusion erfahren.“. Wie dieser Titel entstanden ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall kann ich mir nicht genau erklären, was damit gemeint ist. Bei den Worten „Geht doch!“ habe ich erwartet, dass Erfahrungen und Schwierigkeiten bei gemeinsamen Projekten auftauchen bzw., dass gezeigt wird, wie oder wo ES (;-) geht. Wie bei vielen Ausstellungen, werden leider auch hier Behinderte von Nicht-Behinderten abgegrenzt, als ob diese Gruppen irgendeine Homogenität besäßen.

Ganz zum Schluss gab es noch die Möglichkeit, eine Papierfigur (z.B. Figuren im Rollstuhl) auszuwählen und drauf zu schreiben, was man den Menschen wünscht, die ein handicap haben. Lili meinte ganz spontan „Geld“. Und irgendwie hat diese Vierjährige auch sowas von recht. Wenn  Menschen mit Behinderung, die z.B. auf Assistenz angewiesen sind, endlich nicht mehr in Armut gezwungen werden würden, dann wäre ein großer Schritt gegen die alltägliche Demütigung getan und sie wären bei Ausstellungen nicht mehr nur auf die finanzielle Unterstützung von Sponsoren angewiesen, bei der meist ihre Behinderung zur Schau gestellt wird, sondern könnten endlich ihr eigenes Ding machen.