Gedanken zur Sexarbeit

Es fiel mir längere Zeit schwer, mich zur Prostitution zu positionieren, weil ich grundsätzlich jede Art von Verbot ablehne und schon gar kein Moralapostel bin. Nun gibt es aber immer mehr Freier, die sich „outen“ und wollen, dass der Puff-Besuch in der Gesellschaft als „Normalität“ anerkannt wird. Sie wollen, dass käuflicher Sex endlich kein Tabu mehr ist. Es scheint auch, als würden Journalisten in Streitgesprächen wie diesem hier, immer wieder Sexarbeiterinnen finden, die ihre Arbeit mögen, voll und ganz aus freien Stücken damit Geld verdienen möchten und meinen, dass 80% ihrer Kolleginnen dies ebenfalls so tun. Und schließlich heißt es dann auch immer wieder, man sollte Sex „endlich“ enttabuisieren und „sich trauen“ über sexuelle Frustration und Vorlieben zu sprechen.

Dass ich persönlich Sex mit etwas sehr Intimem verbinde und es außerhalb meiner Vorstellung ist, jemandem Geld zu bezahlen, der mich nicht „gewählt“ hat, heißt natürlich nicht, dass andere Menschen Sexualität als ebenso intime Zweisamkeit empfinden. Dass ich persönlich aufgrund meiner eher zierlicheren Statur auch Angst vor körperlicher Überlegenheit und damit einhergehendem Kontrollverlust bei völlig Fremden hätte, heißt nicht, dass andere diese Angst empfinden. Dass Körperlichkeit und Zuneigung für mich zusammen gehören, mag ein vollkommen veraltetes Beziehungskonzept sein.

Die meisten stolzen Freier berufen sich in den von mir genannten Medien auf die freiwillige Hingabe der „meisten“ Damen: „Die wollen das doch!“. Wieso sollen sie auch nicht den freien Willen zu dieser Arbeit haben? Es wäre vermessen von mir zu behaupten, die vielen Damen mit ihren ganz individuellen Biografien und Geschichten, würden in einem „Zwischenstadium“ leben, in der Hoffnung auf etwas Glück oder eine andere Zeit. Da übertrage ich wohl wieder meine eigenen Lebensvorstellungen auf andere. Aber dann rechtfertigt der Freier in dem taz-Artikel seinen Frauenkauf mit: „Ich kenne eine ganze Menge Frauen, die sich durch die Prostitution an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen haben.“ Oder im Stern-Artikel argumentiert ein Freier: „Ein Date ist immer Stress und kostet viel Zeit. Im Bordell ist alles offener.“

Es tut mir leid, aber diese unendliche Ignoranz dieser Samariter und ihre Aussagen ekeln mich so dermaßen an, dass ich dazu neige, doch für ein Prostitutionsverbot einzutreten.

Die meines Erachtens beste Erörterung zum vielschichtigen Thema der Prostitution ist die von Marita Blauth in der Zeitschrift Graswurzelrevolution von Mai 2014. Hier kann man sie lesen.

Marita Blauth

Marita Blauth

„Mama, weißt du, wie ich mir den Krieg vorstelle?“

Mit dieser Frage überraschte mich heute unsere Fünfjährige beim Frühstück.

Ich: „Sag es mir, wie du dir den Krieg vorstellst!“

Sie: „Ich denke, dass alles kaputt ist. Und die Leute stehen im Kreis und schießen aufeinander.“

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Gedanken zur Heilpädagogik

Der wichtigste Grundgedanke der Heilpädagogik ist die „Ganzheitlichkeit“. Aus dem heilpädagogischen Blickwinkel ist nicht allein die Behinderung, sondern der ganze Mensch (mit seinen Fähigkeiten, Problemen und Ressourcen, sowie seinem sozialen Umfeld) bei der Bearbeitung und Lösung von Problemstellungen zu betrachten und einzubeziehen. Man könnte die Heilpädagogik auch ganzheitliche Defizitorientierung nennen.

Diese ganzheitliche Herangehensweise birgt für mich noch andere Schwierigkeiten:
1. Wenn ein „Klient“ überhaupt nicht ganzheitlich betrachtet, verstanden, begleitet oder behandelt werden möchte.
2. Es muss ein totalitäres Entwicklungs- und Erziehungsideal geben, nach dem ein Heilpädagoge einen Klienten betrachtet und daraufhin seinen „Behandlungsplan“ erstellt. Was, wenn dies nicht mit dem Ideal des Klienten übereinstimmt?
3. Ganzheitlichkeit und Professionalität sind m.E. schwer vereinbar.
4. Das dritte 21. Chromosom kann nicht „geheilt“ werden. Es wird für immer bleiben.

Es bleibt vom Begriff der Ganzheitlichkeit meiner Meinung nach der Versuch, die Mehrdimensionalität des Lebens bzw. der Entwicklung eines Menschen irgendwie als Zusammenhang zu organisieren. Und genau hier, nämlich in der Organisation, sehe ich den Hauptnutzen von „Heilpädagogik“: Unübersichtlichkeit (z.B. von verschiedenen Therapieformen, Lernmethoden, Schulformen, Behörden) für den Klienten zu reduzieren und diesbezüglich zu beraten. Habe jedoch das Gefühl, dass gerade dies für viele Heilpädagogen, während sie eifrig damit beschäftigt sind, ganzheitliche Entwicklungsberichte und Behandlungspläne zu schreiben, eher eine geringere Rolle spielt.