Warum wir uns oft nicht wohlfühlen in Deutschland

Oft werde ich gefragt, ob es ganz ehrlich Dinge gibt, die in Russland besser sind als in Deutschland? Ich antworte meist: sehr viele! Können sich manche Leute nicht vorstellen. Hier nur ein paar Beispiele, die für mich „gute Deutsche“ tun und die man zumindest in Osteuropa so niemals erleben würde:

Neulich hat die Gemeinschaft der Vermieter unseres Wohnhauses beschlossen, dass aus ästhetischen Gründen offene Schuhregale zukünftig im Treppenhaus verboten werden sollen. Alle Mieter wurden daraufhin aufgefordert ihre Schuhregale doch bitte zu entfernen.

Vor ein paar Monaten hat ein Bewohner unseres Hauses (der selbst Eigentümer der Wohnung ist, in der wohnt) beobachtet, wie zwei oder dreimal Fremde ein abgelaufenes Busticket oder einen leeren Getränkekarton in „unsere“ hauseigenen Mülltonnen geworfen haben. Daraufhin wurde in der Eigentümerversammlung beschlossen, monströse abschließbare Mülltonnen zu besorgen, die ruckizucki aufgebaut wurden.

Im Haus existiert eine große Tiefgarage. Jeder Anwohner kann dort einen Stellplatz mieten. Nicht alle Parkplätze sind besetzt, im Gegenteil, es ist noch genügend Platz für andere Fahrzeuge. Es gibt auch einen Fahrradkeller. Dieser ist aber komplett überfüllt. Aus diesem Grund haben wir letzte Woche mal vorsichtig angefragt, ob wir den Fahrradanhänger (der leider nicht durch unsere Kellertür passt, aber trotzdem nicht groß ist) in eine ungenutzte Ecke der Tiefgarage stellen können. Wir haben uns aber schon vorher gedacht, dass „sowas“ „prinzipiell“ „verboten“ ist.

Der kleine Spielplatz unten im Hof ist natürlich nur für die Kinder, die hier im Haus wohnen. Kinder aus dem Nachbarhaus dürfen da nicht rauf.

Der Parkplatz an unserer Kita hat 20 Stellplätze, die ebenfalls gemietet werden können. Davon sind 13 Stellplätze für einen privaten Fahrradladen, 5 für eine Ausbildungsstätte des UKE und 2 für unsere Kita (in die Kita werden täglich 90 Kinder gebracht). In dem Fahrradladen habe ich noch niemals mehr als 5 Personen gesehen, einschließlich die zwei Verkäufer. Zu den Bring- und Abholzeiten der Kita (zwischen 8:30 und 9 Uhr und zwischen 15 und 15:30 Uhr) kommt es natürlich dazu, dass Kita-Eltern auch auf den nicht von der Kita angemieteten Parkplätzen kurzzeitig parken. Und auch wenn die eigenen Parkplätze gerade nicht benötigt werden, lässt der Besitzer des Fahrradladens hier regelmäßig in wenigen Minuten Autos abschleppen. 20 m in die Kita zu gehen und um Entfernung des Autos zu bitten, ist scheinbar absolut unmöglich.

Ich komme nach Hause und eine Nachbarin beschwert sich darüber, dass die Hinz und Kunzt – Verkäuferin (HuK ist das Hamburger Obdachlosenmagazin) vor dem Lidl sich tatsächlich wagt, sie zu grüßen. Unsere Nachbarin will mit solchen Leuten aber nix zu tun haben. Ist das klar!

An unserem Haus entlang führt ein Fußgängerweg plus Radweg. Wenn man von der Stadt mit dem Fahrrad zu uns fährt, muss man ca. 500 m vor unserem Haus die Straße überqueren und den Radweg in entgegengesetzte Richtung fahren. Geister-Radler sind aber trotz ausreichend breiten Wegen in Deutschland sehr unbeliebt. Also werde ich regelmäßig auf dem Heimweg von Wildfremden angemeckert und über die Straßenverkehrsordnung aufgeklärt.

Solche und ähnliche Erlebnisse haben Sascha und ich fast täglich. In diesen Momenten fühlen wir uns hier sehr fremd und finden Deutschland einfach zum Kotzen.

Warum schulische Inklusion keine Gleichmacherei oder „Sozialromantik“ ist

Die drei häufigsten Argumente gegen schulische Inklusion sind meines Erachtens folgende:
1. Inklusion ist Gleichmacherei.
2. Inklusion ist Sozialromantik und Illusion.
3. Nichtbehinderte Kinder werden durch das gemeinsame Lernen benachteiligt.

Zu 1. Inklusion ist Gleichmacherei.
Inklusiver Unterricht und inklusive Pädagogik ist das genaue Gegenteil von Gleichmacherei. Binnendifferenzierter Unterricht berücksichtigt gerade die Heterogenität der SchülerInnen. Hierfür gibt es ganz unterschiedliche Methoden, z.B. das Arbeiten mit Wochenplänen. In Lerngruppen müssen SchülerInnen beispielsweise ein Thema erarbeiten, das sie gemeinsam zu einem bestimmten Lernziel führt. Binnendifferenzierende Maßnahmen beziehen sich dabei auf die Zugänge zum Lerninhalt, auf die Qualität oder die Quantität der Lernaufgaben und -ziele oder auch auf die Medien. Das bedeutet, dass inklusiver Unterricht ALLEN SchülerInnen zu Gute kommt, sowohl sehr starken als auch sehr schwachen. Hochbegabte Kinder haben z.b. in der Quantität oder Qualität entsprechend andere Aufgaben als sie in herkömmlichen Unterrichtssettings hätten, um das gemeinsame Lernziel zu erreichen und profitieren gerade deshalb auch von dieser Unterrichtsform. Immer wieder hört man von bereits inklusiv arbeitenden Klassen, dass mehr SchülerInnen diese mit einer gymnasialen Empfehlung verlassen als die Regelklassen. Ein weit verbreiteteter Irrglaube ist, dass Kinder mit einer Behinderung automatisch immer die langsamsten, schlechtesten und verhaltensauffälligsten Kinder sind. Fakt ist jedoch, dass sehr viele dieser Kinder auf einer Förderschule völlig unterfordert sind.

Zu 2. Inklusion ist Sozialromantik und Illusion.
Viele Menschen sind der Meinung, dass Inklusionsbefürworter eine rosarote Brille aufhaben und mit verklärtem Blick eine soziale Utopie herbeisehnen.
Behinderung ist jedoch kein individuelles Problem. Viele Menschen mit Behinderung sind davon überzeugt, dass sie erst durch die Gesellschaft und durch Barrieren wie z.B. Treppenstufen, schwere Sprache, Ungleichbehandlung und Vorurteile behindert werden. Wird Inklusion als „Sozialromantik“ abgetan, werden Diskriminierungen als akzeptierte Normalität wahrgenommen. Es entsteht die Botschaft, dass ausgrenzendes Verhalten, egal ob von Menschen oder Institutionen ausgehend, in Ordnung ist.
Schulische Inklusion ist auch keine Illusion mehr, denn es gibt mittlerweile zahlreiche Beispiele dafür, dass gemeinsamer Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern erfolgreich gelingen kann. Eine Illusion ist stattdessen das Warten vieler Schulen/PädagogInnen auf DIE optimalen Bedingungen bevor man sich überhaupt an Kinder mit Behinderungen „heranwagt“. Natürlich sind unbedingt genügend räumliche, sächliche und personelle Ressourcen notwendig. Wichtig sind aber vor allem Fort- und Weiterbildungen. LehrerInnen müssen Formen der inneren Differenzierung, inklusive Didaktik und individualisierte Lernformen kennen. Denn ohne dieses Wissen nutzen auch kleinere Klassen nichts. Das Fundament inklusiven Unterrichtens bildet jedoch die Haltung. Inklusive Lern- und Lehrprozesse müssen reflektiert werden. Wer mit jungen Menschen arbeitet, bringt immer auch seine eigenen Prägungen, Positionen und Vorstellungen mit ein. Eine demokratische Grundhaltung sowie die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt ist für die Umsetzung eines erfolgreichen gemeinsamen Unterrichtes elementar.

Zu 3. Nichtbehinderte Kinder werden durch das gemeinsame Lernen benachteiligt.
Wie in Punkt 1. bereits erwähnt, kommt inklusiver Unterricht auch hochbegabten Kindern zu Gute. Die Lehrergewerkschaft GEW stellte schon 2006 fest: Ein Glaubenssatz deutscher Schulpolitik ist empirisch widerlegt, dass nämlich in Klassen mit gleich leistungsstarken Schülern mehr gelernt werde als in solchen mit einer großen Leistungsstreuung.
Viele Studien belegen, dass SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten in inklusiven Klassen vor allem ihre fachlichen Kompetenzen ausbauen, während leistungsstarke SchülerInnen vor allem im Bereich der sozialen Kompetenzen profitieren. Im Sinne eines demokratischen Bildungsverständnisses mit dem Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe Aller sind diese Ergebnisse als positiv zu bewerten. (weitere Infos dazu siehe: Inklusionsfakten)

Einmaleins und Mattematik

Lili: Mama, kannst du das Pippi Langstrumpf-Lied singen?
Ich: Klar. [Ich fange an zu singen: ….ich hab ein Haus, ein kunterbuntes Haus, ein Äffchen und ein Pferd und jeder, der uns mag, kriegt unser Einmaleins gelehrt…]
Lili: Was ist Einmaleins?
Ich: Das sind die Malfolgen. Also 1×1, 2×1, 3×1, 4×1 usw. oder 1×2, 2×2, 3×2. Das lernt man in der Schule in Mathematik.
Lili: Achso. Ich dachte in Mattematik turnt man auf Matten.