Gestern brach eine Diskussion über einen Twitter-Tweet von Hamburger Schulsenator Ties Rabe los. Er äußerte sich kurz zu einem Artikel im Hamburger Abendblatt, in dem die Situation eines zehnjährigen Jungen mit dem sogenannten Förderschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung beschrieben wird, den keine Schule in HH mehr beschulen möchte: „Zeitung: Kind prügelt dauernd, greift Lehrer an, hat Soft-Pistole dabei. Daran soll also die Schulwelt „Schuld“ sein. Niemals die Eltern?“.
Die Schuldfrage zu stellen sei, wie einige Follower kommentierten, zynisch und lösungsfern. Ich selbst wage sogar zu behaupten, dass wir in diesem Tweet die Kernproblematik der Inklusion in HH und vielleicht in ganz Deutschland treffen. Ich denke ein Großteil der PädagogInnen lässt sich vielleicht noch auf die behinderten SchülerInnen ein, solange sie zahm sind, nicht stören und man den SchulmitarbeiterInnen irgendeinen „Leitfaden“ in die Hand drückt, wie man mit denen umgehen soll und welchen Stoff man denen anbieten kann/soll. ABER die verhaltensauffälligen, anstrengenden SchülerInnen, die sollen bitteschön irgendwo anders hingehen und erstmal „richtig erzogen“ werden. Die Problematik liegt also darin, dass sich Schule und ihre Akteure aus der Verantwortung ziehen und wieder – wie einst im harten Hamburger Schulstreit – die Schmuddelkind-Karte zücken: prügelnde SchülerInnen in der Klasse. Nein Danke. Systemsprengend, viel zu anstrengend.
Selten haben Eltern von Kindern mit den sogenannten Förderschwerpunkten Lernen oder emotional-soziale Entwicklung die Ressourcen, sich für ihr Kind einzusetzen, für das Recht des Kindes auf chancengleiche Schulbildung zu kämpfen. In diesem einen Fall hatten die Eltern Kraft und Mut, und sofort werden die Geschütze hoch gefahren und die Eltern mit einer völlig unnötigen Schuldfrage konfrontiert, um die es niemals gehen darf.
Stattdessen muss es in der inklusiven Schule grundsätzlich immer um Verantwortung gehen. Verantwortung für jedes einzelne Kind, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Fähigkeiten, Behinderungen oder Aufmerksamkeitsbesonderheiten. Kein einziges Kind darf auf der Strecke bleiben.
Der Schlüssel hierin liegt m.E. darin, diese Verantwortung zu verinnerlichen und Top-Down, also ausgehend von der obersten Organisationsebene, vorzuleben. Das erwarte ich von einem Schulsenator, der schulische Inklusion wirklich ernst nimmt.