Disability Mainstreaming

Wenn über Menschen mit Behinderung in den Medien geredet oder geschrieben wird, wird diesen oft die Rolle des Opfers oder die Rolle des Helden zugeteilt. Das will leidmedien.de ändern. Ein Mitinitiator der Leidmedien ist Raúl Krauthausen, den ich super cool finde. Warum spielen Behinderte im TV eigentlich immer behinderte Rollen? Warum werden Behinderte nur eingesetzt, wenn es um behinderte Themen geht? Oder warum machen es sich Filmemacher eigentlich oft so leicht, indem sie nichtbehinderte Schauspieler in einen Rollstuhl setzen, anstatt einen Schauspieler im Rollstuhl zu suchen für den Film? Wann sind wir in Deutschland endlich mal an dem Punkt, dass behinderte Moderatoren nicht nur immer über das Thema Behinderung berichten, sondern einfach alle üblichen Fernsehformate wie Nachrichten, Quizshows, Werbung usw. besetzen? Diese und andere Fragen hat Raúl auf der re:publica 2013 gestellt.

In diesem Zusammenhang kam er auf Disability Mainstreaming zu sprechen. Konkret ging es um das Projekt wheelmap.org. Wheelmap ist eine online-Karte wie z.B. die googlemaps und jeder User kann rollstuhlgerechte Orte suchen, finden und markieren. Ein tolles Projekt. Wheelmap möchte aber raus aus der Nische eines Projektes von und für Rollstuhlfahrer. Warum soll es nicht einfach möglich sein, auf verschiedenen maps, die sowieso schon im Netz existieren, rollstuhlgerechte Orte einzutragen? Das kann ein Anliegen jedes Unternehmens, jedes Cafés, jeder Arztpraxis, jeder Schule sein, sich hier rollstuhlgerecht zu präsentieren.

Wie auch Wikipedia schreibt, ist Disability Mainstreaming damit analog zu Gender Mainstreaming ein Auftrag an Verwaltungen, Organisationen, kleine und große Geschäfte, etc., die unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen von Menschen mit und ohne Behinderung in der Struktur, in der Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen, in den Ergebnissen und Produkten, in der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und in der Steuerung von vornherein zu berücksichtigen, um das Ziel der Gleichstellung zu verfolgen.

Wow. Das klingt theoretisch toll. Und wheelmap versucht es, praktisch umzusetzen. Raúl Krauthausen ist einfach ein unglaublich toller Typ. Ich bewundere alle seine Projekte.

Fotoausstellung „Любовь без условий“

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Ausstellungsplakat

Wir haben es geschafft. Gestern haben wir endlich die Fotoausstellung mit Bildern von Conny Wenk und dem Irkutsker Fotografenpaar Ksenia Kalinina und Andrej Kwasow im Museum „Usadba Sukachewa“ in Irkutsk eröffnet. 20 Fotos mit kleinen Supermodells und ihren Eltern. Zehn deutsche und zehn Irkutsker Kids mit Down Syndrom. Sweta und Anton Blisnjuk begrüßten alle Gäste in den Ausstellungsräumen mit Klavier und Trompete. Zuerst bedankte ich mich beim Generaldirektor des Hotels Courtyard Marriott Wolfgang Koller für die finanzielle Unterstützung der Ausstellung. Ohne seine Hilfe wäre die Ausstellung nie zustande gekommen. Anschließend bedankte ich mich bei allen elf Behindertenvereinen, die sich an der Ausstellung beteiligt haben. Auf Plakaten stellen sie die Arbeit ihrer Organisation vor. Es war nicht so leicht, diese Selbstpräsentationen zu koordinieren. Dabei hat mir Thomas sehr geholfen. Bei der Eröffnung sprachen die Kinderrechtsbeauftragte des Irkutsker Gebietes Swetlana Semenowa, die Vertreterin des Ministeriums für soziale Entwicklung, Sorgerecht und Vormundschaft im Irkutsker Gebiet Olga Tschirkowa, der Vorsitzende des Dachverbandes der Behindertenvereine im Irkutsker Gebiet Sergej Makeew sowie unsere Gäste von DownSideUp Moskau Begrüßungsworte. Auch das Fernsehen war anwesend. Ich denke, dass es eine gelungene Eröffnung war und bin sehr glücklich. Wer möchte, kann sich die Fotos noch bis 16. Juni anschauen.

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Manche Kollegen können mir den Tag versauen

Da bin ich also beim diesjährigen Lektorentreffen des DAAD in Woronesch. Aus sämtlichen russischen und weißrussischen Städten kamen meine Kollegen angereist. Ich wollte ein paar Tage kinderlose Freiheit genießen, denn meine Mama und Tante erklärten sich bereit, mit Lili und Tolja an den Baikalsee zu fahren, damit Sascha und ich auf Dienstreise nach Woronesch fliegen können.

Am zweiten Tag erzählte am Frühstückstisch dann ein Kollege aus Weißrussland von Lukaschenko und darüber, dass dieser immer und überall seinen unehelichen kleinen Sohn mit hin schleppe, den er ja zu seinem Nachfolger machen möchte. Davon, so der Kollege, hätte der Junge bereits eine Macke bekommen, denn er zucke ja immer so bedenklich. Alle lachten.

Kurz darauf kam das Gespräch auf eine Bekannte zu sprechen, die einst in Turkmenistan arbeitete. Da sie sich immer Kinder wünschte, traf sie eine „rationale“ Entscheidung: sie schaute sich sämtlich Familien an, ob diese gute Gene hätten (*lach). Dann suchte sie sich eine gesunde Familie aus und wurde vom älteren Sohn der Familie schwanger. Schließlich lebt sie nun, nach riesigem Krach mit dem Kindsvater, der eigentlich mit ihr und ihrem gemeinsamen Kind leben wollte, mit ihrem Kind allein in Deutschland.

Gestern beim Abendessen an einer großen Tafel sitzend, rief die Kellnerin in die Runde: „Wer möchte roten und wer möchte Weißwein?“ Es gingen sehr viele Hände in die Luft, die die Kellnerin in null Komma nichts zählte. Die Kollegin, die neben mir am Tisch saß, kommentierte das mit: „Die muss autistische Fähigkeiten haben.“ Alle lachten.

Eventuell wären mir früher solche Kommentare, die quasi tagtäglich fallen, nicht aufgefallen. Sie gehören scheinbar wie selbstverständlich dazu. Jetzt versauen sie mir den Tag. Mit Sascha habe ich dann diskutiert, ob wir auf solche Kommentare reagieren wollen oder sollten, da für uns ein unbefangenes weiteres Gespräch nicht mehr möglich ist. Eine richtig befriedigende Lösung haben wir nicht gefunden.

In diesem Zusammenhang bin ich nun das erste Mal auf den Begriff Handicapism gestoßen, der mit Rassismus oder Sexismus vergleichbar ist. Er beschreibt unter anderem die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen als mängelbehaftete, defizitäre, funktionsgestörte und damit minderwertige Wesen, die vor allem auf dem Arbeitsmarkt weniger leistungsfähig bzw. leistungsunfähig sind.

Ein Bauernhof in Buguldejka

Das erste Mal waren wir in Buguldejka, 240 km entfernt von Irkutsk, am Baikalsee. Das Dörfchen hat keine 1000 Einwohner, befindet sich am, mit der Schneeschmelze jedes Jahr im Mai das halbe Dorf überflutenden, Fluss Buguldejka. Im Dorf gibt es ein paar Geschäfte mit den für Selbstversorger wichtigsten Produkten wie Zucker, Seife oder Alkohol. Zu unserem Erstaunen gibt es sogar eine Musikschule. Und natürlich unseren netten Bio-Bauernhof. Es war wunderbar. Wir sind geritten, haben beim Melken zugeschaut, Kaninchen und Ziege gestreichelt, Enten beim Baden zugeschaut, Katzen umher geschleppt, mit Hunden gespielt, mit dem Hahn gekräht, Kühe gefüttert und viele riesige Zecken abgeschüttelt und getötet. Eine Tischtennisplatte, eine Schaukel und ein Sandkasten waren auch dort. Yuhuu. Und sogar ein kleines Gummipferd für den Tolja.

1 42 Brücke in Buguldejka Der noch zugefrorene Baikal Der noch zugefrorene Baikal_2 Der noch zugefrorene Baikal_3 In Buguldejka In der Steppe Posy Sibirische Frühjahrsblüher